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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Große Hoffnungen auf neue Regierung“
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
„Große Hoffnungen auf neue Regierung“
Biomassepaket 2025, verschärfte Überbau-Anforderungen, die Kraftwerksausschreibungen: E&M hat darüber mit dem Präsidenten des Fachverbands Biogas, Horst Seide, gesprochen.
 


Zur Person:

Horst Seide (62) ist seit zwölf Jahren Präsident des Fachverbands Biogas. Im Hauptberuf ist er Chef der niedersächsischen Kraft und Stoff Dannenberg GmbH & Co. KG. Nach eigenen Angaben macht er 70 Prozent seines Umsatzes mit Bio-CNG. Das Interview wurde Mitte März geführt.

E&M: Herr Seide, hofft die Biogasbranche, mit den Sondervermögen Infrastruktur und Verteidigung sowie mit der sich abzeichnenden neuen Koalition aus Union und SPD mehr für sich herauszuholen als mit dem Biomassepaket, das noch im Januar von Rot-Grün mit Unterstützung von Schwarz verabschiedet wurde?

Seide: Das Biomassepaket war vor der Einigung und wird dementsprechend wahrscheinlich aus dem Haushalt gezahlt. Und es ist nur die erste Hälfte von dem, was wir brauchen. Für die erste Hälfte sind wir schon mal dankbar. Wir brauchen aber auch die zweite Hälfte. Da setzen wir jetzt große Hoffnung auf die neue Regierung. Wie sie es bezahlt, ob es aus dem Sondervermögen kommt oder nicht, ist uns eigentlich egal. Uns ist alles allerdings aufgefallen, dass die neue Regierung 20 Gigawatt Gaskraftwerke in das Sondervermögen reinschreiben wird. Das ist eine Förderung für fossile Kraftwerke und da sagen wir: Als Allererstes kommen ja wohl die erneuerbaren Kraftwerke!

E&M: Gäbe es da eine Chance, dass man sich einfach auf die bevorstehende Ausschreibung dieser Kraftwerke als Biogasanlagenbetreiber ebenfalls bewirbt?
Seide: Letztendlich halte ich es für ausgeschlossen, dass wir genau in das Kraftwerkssicherheitsgesetzespaket reinkommen, denn das wird eine Ausschreibung für fossile Gase sein, auch wenn die Teilnahmebedingungen natürlich noch nicht bekannt sind. Wir können mit fossilen Gasen in der Ausschreibung nicht direkt konkurrieren.

E&M: Wie können Sie mit den 20.000 Megawatt leben, die die Union ins Spiel gebracht hat? Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hatte 2024 noch 7.000 Megawatt für ausreichend gehalten.

Seide: Schlecht. Die Megawatt sind ja für fossile Kraftwerke. Wir sind uns einig mit allen Parteien, dass wir in etwa 40 bis 50 Gigawatt sichere Leistung brauchen, die neu geschaffen werden muss. Wenn aber 20 Gigawatt fossile Gaskraftwerke gefördert werden, dann ist klar, dass wir für unsere Branche nie mehr als 20 Gigawatt erneuerbare Gase kriegen, und das tut weh, weil wir mit erneuerbaren Gasen mehr erreichen könnten.

E&M: Wie wäre stattdessen die gesicherte Leistung bereitzustellen?

Seide: Wir machen das Gleiche, was die fossilen Gaskraftwerke machen. Da gibt es so gut wie keinen Unterschied. Man müsste eben das Ausschreibungsvolumen bei den erneuerbaren Gasen anheben. Wir haben jetzt 1,2 oder 1,3 Gigawatt pro Jahr − für die nächsten zwei Jahre …

E&M: … eben durch das Biomassepaket − bis dahin waren es nur 300 Megawatt jährlich.

Seide: Das müsste man anheben und fortführen. Dann könnte sich unsere Branche darauf einstellen und liefern.

E&M: Was würde das kosten, wenn ich die Höchstwerte von Biogasstrom anschaue?
Die sind ja höher als von Wind onshore und PV.

Seide: Wir vergleichen uns ja jetzt nicht mit Wind onshore und PV, sondern mit der fossilen Gaswirtschaft. Letztendlich, wenn man das volkswirtschaftlich betrachtet, werden wir günstiger. Unsere Investitionssummen sind etwas geringer, wir können die Energie in Zukunft zu niedrigeren Preisen anbieten, weil wir es schaffen, in ländlichen Regionen auch noch die Wärme zu verkaufen, und wir nicht unter der CO2-Abgabe leiden wie die Gaskraftwerke. Volkswirtschaftlich gesehen wäre es vorteilhafter, das mit uns zu machen anstatt mit den Fossilen.

E&M: Gibt es da nähere Zahlen?

Seide: Im Biomassepaket stehen 100 Euro Flexzuschlag für zwölf Jahre drin …
E&M: Bis dahin lag er bei 65 Euro.

Seide: Ja. Die 100 Euro Zuschlag sind praktisch 1.200 Euro pro Kilowatt installierte Leistung. Wenn sie sich mal in Erinnerung rufen, was die fossile Gaswirtschaft aufgerufen hat, so liegen wir etwas darunter. Allein schon bei der Investitionsabsicherung. Wir sind natürlich momentan etwas höher bei den Gebotshöchstwerten, da sind die fossilen Gaskraftwerke niedriger. Aber wenn der CO2-Preis bis 2030 in die Richtung von 200 Euro pro Tonne geht − was alle prognostizieren, und die Gaskraftwerke sind vor 2030 wahrscheinlich nicht fertig −, dann sind wir mit den Grüngasen günstiger.

E&M: Aber dafür müssen mittlere und große Anlagen dreimal statt doppelt überbaut werden.

Seide: Dreimal gibt es nur am Anfang. Später müssen sie nachziehen auf eine vierfache Überbauung.

E&M: Das bedeutet doch im Umkehrschluss, dass Biogasanlagen entweder seltener laufen oder nur noch selten in den Volllastbereich kommen, oder?

Seide: Die erste Aussage stimmt: Sie laufen seltener. Aber wenn wir sie anschalten, werden sie überwiegend mit voller Leistung laufen. Ja, sie laufen selten, das ist richtig, und das ist auch Ziel des Biomassepakets. Auch diese Zielsetzung unterstützen wir.

E&M: Und Sie können auch mit dem Verlust der Marktprämie in der ersten Stunde mit negativen Preisen leben?

Seide: Das ist genau das Gleiche. Wir schalten die Biogasanlagen dann an, wenn die Strompreise an der Börse hoch sind. Wir werden sie nie bei negativen Marktpreisen anschalten. Der Verlust der Marktprämie und die Preissignale aus dem Strom-Spotmarkt sind zwei Instrumente, die auf das Gleiche abzielen. Sie verstärken sich nicht, sondern beide bewirken das Gleiche.

E&M: Früher verloren Anlagenbetreiber erst nach sechs Stunden hintereinander mit negativen Preisen die Marktprämie, dann ging es schrittweise bis 2025 auf eine Stunde zurück. Ich weiß nicht, wie sich speziell der Fachverband Biogas dazu verhalten hat, aber generell hat die Erneuerbaren-Branche dagegen gekämpft.

Seide: Ja, bei anderen erneuerbaren Energien sind negative Strompreise eine größere Herausforderung als bei der Biomasse, insbesondere bei Biogas. Wir können leichter darauf reagieren. Darum hat man die Regel in Paragraf 51 EEG bei uns stark verschärft. Bei uns beginnen wegen des Paragrafen 51 praktisch schon unterhalb von plus 2 Cent pro Kilowattstunde die Negativpreise. Wir können damit leben. Wir wollen in solchen Zeiten gar keinen Strom liefern. 

 
Horst Seide
Quelle: FV Biogas
 

Georg Eble
Redakteur
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Donnerstag, 10.04.2025, 08:50 Uhr

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